Und wenn wir mal probieren, uns nicht darüber aufzuregen? Wir wissen doch, wie es zu diesem „Stillstreit“ kommt: Jeder macht immer nur seine Erfahrungen und ist geneigt, diese als allgemeingültig anzusehen. Das verstellt den Blick darauf, dass Kinder auch anders groß werden. Vermutlich ist es nicht weiter traumatisierend, wenn man so lange gestillt wird, Nils. Ist doch einfach nur ne andere Verpackung als ne Flasche. Und bei der Flasche machst du dir doch auch keine Sorgen, dass das Kind nachher zum Alkoholiker (von wegen Bier aus der Pulle) oder so wird.

Diese massive Pro-Stillen-Bewegung ist ja eine Gegenreaktion auf die Zeit, wo das Stillen unüblich war. Sie wird u.a. von den Hebammen mitgetragen und da gibt es sicher einige, die dazu neigen Heilslehren zu verkünden, schließlich ist heilen und helfen ihr Metier. Meine Hebamme, die aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen und ihres Charakters zu der Einstellung „so geht es, aber anders geht es auch“ neigte und das Wohlbefinden zwischen Mutter und Kind in den Vordergrund stellte, erzählte auch von Kolleginnen, deren Methodenradikalität sie entsetzte, weil sie blind blieben für den negativen Druck, den sie damit ausüben. Man darf nicht vergessen, dass sich die Hebammen damit auch ihrer Notwendigkeit vergewissern. Wenn du Stillprobleme hast, dann lassen die sich bewältigen, mithilfe der kompetenten Stillberaterin (das ist ja auch nur ne Hebamme). Das nennt man Existenzsicherung.

Schlimm ist und bleibt das Leid derjenigen, die es anders machen (müssen) und sich deshalb angefeindet fühlen. Mich selbst hat es auch zur Verzweiflung gebracht, dass das Stillen nicht so klappte, wie ich mir das gewünscht habe. Und ich war von einem durchaus verständnisvollen Umfeld umgeben. Trotzdem hat mich jeder Vorschlag (hast du das und das probiert…) verletzt. Ich wollte ein mich so intim berührendes Problem nicht ausdiskutieren. Das wollte ich mit mir, dem Kind und meiner Fachfrau, der Hebamme, besprechen. Mehr nicht. Alle anderen hätten am besten einfach nur zugehört und gar nichts gesagt. Aber wer kann das schon? Das ist die Kunst des Zuhörens, die auch ich nur sehr selten anwende…

Übrigens kann ich mihc noch gut an eine Frau im Krankenhaus erinnern, die im Stillzimmer furchtbar mit und über ihr Kind schimpfte, weil ihr das Saugen so weh tat. Ich saß an meiner Pumpe und dachte empört: „Die soll sich mal nicht so anstellen und froh sein, dass das Kind überhaupt an die Brust will.“ Soweit zum gegenseitigen Verständnis… manchmal braucht’s ein bisschen Zeit. Ich bin sicher, in 10 Jahren haben sich die Wogen wieder geglättet! ;-)