ein Blog

Dankbarkeit

Heute war so ein Tag. So ein Tag an dem man Morgens aufsteht und sich sagt: Ich will nicht.

Ich hoffe ich fange noch nicht an euch mit dem Thema auf die Nerven zu gehen.

Zuerst haben wir gefrühstückt. Genauer, alle haben gefrühstückt ausser meine Frau. Die musste nüchtern bleiben, die hatte heute nämlich die OP (Abrasio).

Und dann hab ich die beiden Großen in Ihrem Kindergarten abgeliefert. Beide waren/sind noch immer durch den Wind. Noah redet darüber nicht, er fängt zwischendurch einfach an zu weinen und das wegen "Kleinigkeiten". Dann musste ich der versammelten Erzieherinnenschaft erzählen das wir erneut eine Fehlgeburt hatten. Ich dachte ich hätte den Tiefpunkt erreicht.

Im Anschluss hab ich Tom in die 1-Tagesgruppe gebracht. Top: Er hat sich gefreut. Nicht so Top: Vorher war er ein Dickkopf. Noch weniger Top: Bus kam nicht, erst 10 Minuten später.

Keinem begegnet den ich kannte, großer Bonuspunkt!

Also in den Bus und auf ins Klinikum. Und ich kam rechtzeitig um mit dem Chefarzt darüber zu sprechen das er bitte dem Pathologen sagen solle das wir eine individuelle Bestattung wünschen. Für alle die mit dem Thema nicht vertraut sind (so wie ich bis vor drei Tagen), meistens werden Föten unter 500 Gramm gesammelt bestattet und zwar auf dem Friedhof mit dem das Krankenhaus eine Partnerschaft hat. Das wäre im Falle AmperKlinik Dachau …  nah könnt ihr es erraten? München. Genau. Warum? Weiß ich nicht.

Jedenfalls haben wir uns dafür entschieden unser Manschgerl lieber in Dachau beizusetzen. Wir leben in Dachau, unsere Kinder sind fast alle hier geboren und wenn wir das Manschgerl besonders vermissen möchten wir nicht erst nach München fahren.

Also hab ich meine Frau auf Station gebracht. Zugesehen wie sie sich in sexy Trombosestrümpfe zwängt, Ben bespaßt und meine Frau zum Abschied geküsst.

Dann hab ich mir erst mal einen Kaffee besorgt.

Und dann bin ich zum gegenüberliegenden Bestattungsinstitut gegangen.

Ich wollte wirklich nicht.  

Das Thema Geld kam nur am Rande auf und ich fühlte mich wirklich schlecht auch nur darüber zu sprechen.

Bringen wir es also hinter uns, der Bestatter, ein älterer Herr, war sehr freundlich, Ben hat zwei Kekse vertilgt und der Bestatter konnte unsere Situation nachempfinden, hatte er doch selbst erst kurz vor Weihnachten seinen ungeborenen Enkel verloren. 

Wir/Ich haben uns dafür entschieden das Manschgerl in der sog. Spirale des Lebens auf dem Dachauer Waldfriedhof beisetzen zu lassen. Die Beisetzung erfolgt anonym, sonst hätten wir ein Kindergrab reservieren müssen. Vorher dürfen wir, je nach Gesundheitszustand meiner Frau, am Montag oder Dienstag Nachmittag von unserem Zwerg Abschied nehmen. Dafür wird der Fötensarg (grausames Wort) in der Halle der Stille aufgebahrt und wir haben einen Moment der Ruhe um leise Servus zu sagen.

Tiefpunkt? Ja, absoluter, völliger, endgültiger.

Danach mit dem Einkauf nach Hause. Sollte man meinen. Aber ich wollte vorher noch kurz auf den Waldfriedhof und mir die Spirale des Lebens anschauen. Ben hat’s dann erwischt, er war ziemlich müde und ist praktisch sofort eingelummert. Mann war ich neidisch. Gefunden hab ich den Platz auch nicht und fragen wollte ich auch keinen. Also bin ich doch nach Hause gelaufen und hab den Einkauf ausgeladen. Ben hat inzwischen weitergepofft.

Und dann ging es, 10 Minuten später auch gleich weiter Richtung 1-Tagesgruppe. Dafür war ich natürlich zu früh, hab dann doch eine Bekannte getroffen, konnte mich aber halbwegs unbefangen unterhalten. Inzwischen hatte meine Frau stärker werdende Schmerzen, aber dazu erzählt sie die nächsten Tage bestimmt selbst was. Stimmung also auf -100 inzwischen. Keiner weiß genau WANN meine Frau operiert wird, sie ist ja kein "Notfall".

Tom abgeholt, nach Hause gelaufen, abgefüttert. Tom bekommt einen Wutanfall und wir werden vom Bus nicht mitgenommen, kann schon mal passieren das man einen Vater mit zwei Kindern übersieht so als Busfahrer. Danke lieber MVG, du bekommst noch dein Fett weg.

Kurze Zeit später dann wieder raus, wieder in den Bus, Busfahrer telefoniert beim Fahren, ist na nicht so dass das verboten wäre. Bitte schön lächeln, davon hab ich dieses Mal ein Foto. Wieder raus, wieder laufen, Kinder abholen und betroffen guckenden Erzieherinnen ausweichen.

Kinder quengeln, Tag = Scheisse.

Frau inzwischen im OP und nichts genaues weiß man nicht.

Also Kinder zu Hause, ein paar Mal ausgerastet (ich, nicht die Kinder) und dann meine Mutter gefragt ob Sie bitte meine Frau im Klinikum abholen kann. Aussage des Sekräteriats:  Frau ist gerade aus dem OP, soll in einer Stunde bitte abgeholt werden. Tja was ist, Mutter schaut im Klinikum vorbei, Frau hatte während OP viel Blut verloren und bleibt über Nacht. Weißt du was liebes Leben, leck mich.

Also passt Oma liebenswerter Weise (wirklich, vielen lieben Dank!) auf die Nervensägen auf, ich pack ein paar Sachen und ab ins Klinikum. Knuddle meine Frau und bin froh nicht ein weiteres Mal zum Bestatter laufen zu müssen. Im Ernst, mir sind sonst was für grauslige Sachen durch den Kopf gegangen.

Wieder zu Hause, Kinder ins Bett verfrachtet mit minimalem Anschreifaktor, Noah eine Wärmflasche gemacht und auf der Couch kollabiert.

Fazit: Heute kam der Nintendo 3DS auf den Markt, das iPad 2 erschien und ich habe einen Fötensag gekauft.

Kann ein Tag noch grausamer aussehen? Ja wahrscheinlich, ich möchte es aber nicht probieren, vielen Dank.

So und zum Titel Dankbarkeit, jemand fragte was man tun könne und ich hab scherzhaft (nehmt mich bitte heute nicht Ernst) gesagt: Spendenrally für die Bestattungskosten. Tja. Was soll ich sagen.

Stand meines Paypalkontos um 23:40 am 25ten März sind: 50 Euro. Ich bin ziemlich sprachlos. Danke! Im Ernst, ihr seid fantastisch.

Ich geh jetzt jedenfalls ins Bett. Alleine. Denke an meine Frau. An das ungeborene Genie. Und Morgen ist dann wieder ein neuer Tag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.